In Teilen Süddeutschlands wütet aktuell eine brisante Glatteislage.
Doch wie kam es eigentlich dazu und womit muss man noch rechnen?
Ausgangslage:
Zu Wochenbeginn war noch größtenteils das Hoch JULIAN wetterbestimmend. Zuvor hatte es bei Dauerfrost stellenweise leicht geschneit, bevor die Wolkendecke in der Nacht zum Dienstag verbreitet auflockerte bei windstillen Verhältnissen. Das ist ein idealer Nährboden für besonders kalte Temperaturen, da die Restwärme in die Atmosphäre ausstrahlen konnte (langwellige Ausstrahlung) und der Schnee zumindest teilweise leicht isolierend für den Bodenwärmestrom wirkte. So sank das Thermometer bis zum Dienstagmorgen auf Werte vielfach unter -10 Grad ab. "Spitzenreiter" waren Reit im Winkl (BY) mit -17,3 Grad, Geisingen (BW) mit -17,2 Grad und Oberstdorf mit -16,9 Grad. Aber auch München-Stadt mit -9,1 Grad, Stuttgart-Echterdingen mit -9,6 Grad sowie Augsburg mit -11,1 Grad waren gut dabei.
Durch die nur örtliche dünne Schneeauflage konnte der Frost zudem gut in den Boden eindringen. So wurden vor Einsetzen der Niederschläge in den heutigen Frühstunden bedingt auch durch die Frostperiode der Vortage bis in 10 cm, stellenweise auch bis 20 cm Tiefe, negative Bodentemperaturen in Süddeutschland gemessen.
Der Grundstein war mit tief gefrorenen Böden und einer ausgekühlten winterlichen Luftmasse also gelegt. Nun näherte sich aus Süden die langgestreckte Warmfront eines umfangreichen Tiefs westlich der Biskaya. Diese Warmluft ist leichter als die schwerere Kaltluft in bodennahen Schichten und gleitet somit in der Höhe langsam auf diese auf. Als Folge dieser gewissermaßen erzwungenen Hebung setzte Wolken- und Niederschlagsbildung ein.
So begannen nach Mitternacht erste leichte Niederschläge aufzukommen, die anfangs noch meist als Schnee, von der Schweiz und Österreich her aber schon immer häufiger in leichten Regen oder Sprühregen übergingen. Woran lag das? Ein Blick in die Höhe zeigt, dass die Warmluft inzwischen schon deutlich mehr Raum nach Norden gewonnen hat. Zur Mittagszeit lag die 0 Grad Isotherme (Linie gleicher Temperatur) in rund 1500 Metern schon fast auf Höhe des Großraums Stuttgart. Zur gleichen Zeit wurden in Altenstadt südwestlich von München bereits +4 Grad gemessen. Fällt nun der Niederschlag durch diese warme Schicht schmilzt er und der Weg zum Boden ist kaum noch ausreichend, um ihn wieder gefrieren zu lassen. Beobachtungen und Nutzermeldungen zufolge gab es aber am Vormittag bereits einige Regionen zwischen dem Oberrheingraben und den Großräumen Stuttgart und München mit einem ständigen Wechsel aus gefrierendem Regen, Schneeflocken und Eiskörnern. Was tatsächlich am Boden ankommt, ist selbst mit den modernsten Radarprodukten nur sehr schwer abzuschätzen. Daher sind wir im operationellen Dienst umso dankbarer für Ihre Zumeldungen - beispielsweise über die WarnWetter-App, die es uns ermöglichen, ein noch klareres Bild von der aktuellen Lage zu gewinnen.
Wie geht es nun weiter? Das Hauptproblem bei dieser Unwetterlage ist ganz klar die Stationarität - die Lage der Luftmassengrenze ändert sich kaum. Zudem tut sich die Milderung sehr schwer aus der Schweiz und den Alpen heraus nordwärts auszugreifen. Es gibt kaum Auflockerungen, so dass die Sonneneinstrahlung helfen könnte, noch sind die Luftdruckgegensätze und damit die Windgeschwindigkeiten äußerst schwach. Immerhin hat inzwischen im südlichen Alpenvorland mäßig auffrischender Südwestwind durchgegriffen und leichtes Tauwetter hat eingesetzt. Bis nach Freiburg-Stuttgart und München sollte sich das aber nicht durchsetzen. Und so werden auch die kommenden Stunden zum Drahtseilakt rechtzeitig und vor allem sicher von der Arbeit und Schule zum Sport- oder Musikunterricht und anschließend vielleicht noch kurz zum Einkaufen zu fahren.
Immerhin hat der Flughafen München inzwischen für 2 Stunden lang den Flugbetrieb eingestellt. Darüber hinaus gab es schon zahlreiche Unfälle, die Krankenhäuser sind vielerorts (auch aus nicht-meteorologischen Gründen) überfüllt und/oder überlastet. Etliche Patienten wurden aber auch als Folge von Stürzen eingeliefert. Autobahnen und Bundesstraßen wurden zeitweise gesperrt.
Und Entwarnung kann weiterhin nicht gegeben werden. Auch in den nächsten Stunden wird es zu weiteren Niederschlägen kommen, die in der Nordhälfte Bayerns und Baden-Württembergs meist als Schnee, sonst als Regen fallen. Dabei zeigen sich die Niederschläge im Laufe der kommenden Nacht zum Donnerstag zunehmend nach Süden zurück und gehen von Norden zögernd überall in Schnee über, bevor sie dann am Donnerstagvormittag langsam abklingen. Das bedeutet, dass es selbst noch einmal im inzwischen milden südlichen Alpenvorland kritisch werden kann. In den aktuell betroffenen Glatteisgebieten wachsen die Eispanzer unterdessen weiter an, so dass auch größere Schäden an der Infrastruktur nicht ausgeschlossen werden können.
Dipl.-Met. Robert Hausen
Deutscher Wetterdienst
Vorhersage- und Beratungszentrale
Offenbach, den 14.12.2022
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